Eine Theaterperformance auf den Märkten in Bad Aussee und Altaussee mit einer fiktiven Radiosendung zu Provenienzforschung und Restitution geraubter jüdischer Besitztümer.
Ein Projekt der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 und des Theater im Bahnhof in Graz.
Bad Ischl, 27. August 2024
Die unerhörten Dinge erzählen von Unerhörtem und Ungehörtem: Im Mittelpunkt stehen geraubte Kunst- und Alltagsgegenstände aus ehemaligem jüdischem Besitz aus der Region. Am 31. August sowie am 5., 6. und 14. September 2024 überraschen auf verschiedenen Märkten in Altaussee und Bad Aussee vier Performerinnen das Publikum mitten im Trubel des Marktgeschehens mit einer fiktiven Radiosendung. Zu hören sind Geschichten und Schicksale, die an die geraubten und enteigneten Gegenstände anknüpfen. Für die Theaterperformance arbeitete das Theater im Bahnhof aus Graz mit den beiden Wissenschaftlerinnen Monika Löscher (Projektidee – Provenienzforscherin, Kunsthistorisches Museum Wien im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung) und Birgit Johler (Kuratorin, Universalmuseum Joanneum) zusammen. Sie liefern die wissenschaftliche Basis und die Recherchen für die Provenienzforschung der enteigneten Gegenstände, die im Zentrum der thematischen Aufarbeitung stehen. Die unerhörten Dinge, ein Spiel über Verlust und Erinnerung, Provenienz und Restitution geraubten jüdischen Besitzes, ist ein weiteres Projekt im Rahmen der Programmlinie Macht und Tradition zum Thema Erinnerungskultur. Weiters werden Die unerhörten Dinge am 5. Oktober 2024 im Rahmen der Langen Nacht der Museen im Volkskundemuseum am Paulustor in Graz zu erleben sein.
THEATERPERFORMANCE | DIE UNERHÖRTEN DINGE
Samstag 31/08/2024, 10–14 Uhr (Eintritt frei)
Ort Wochenmarkt Altaussee im Kurpark, Fischerndorf 61, 8992 Altaussee
Donnerstag 05/09/2024, 10–14 Uhr (Eintritt frei)
Ort Wochenmarkt Bad Aussee, Chlumeckyplatz, 8990 Bad Aussee
Freitag 06/09/2024, 10–14 Uhr (Eintritt frei)
Ort Flohmarkt Brunnerplatz, Fischerndorf Nähe Seevilla, 8992 Altaussee
Samstag 14/09/2024, 10–14 Uhr (Eintritt frei)
Ort Antiquitätenmarkt, Kurpark, Kurhausplatz, 8990 Bad Aussee
Eine fiktive Radiostation am Wochenmarkt
Im Mittelpunkt der Theaterperformance Die unerhörten Dinge stehen geraubte Gegenstände und die persönlichen Geschichten, die mit den ehemaligen Besitzerinnen verbunden sind. Bewohnerinnen und Gäste von Altaussee und Bad Aussee sind eingeladen, sich auf niederschwelligem Wege mit NS-Raub, Provenienz und Restitution, sowie mit Fragen des Verlustes, des Wertes und der Erinnerung auseinanderzusetzen. Auf den Märkten in Bad Aussee und Altaussee wird während der Marktzeiten eine fiktive Radiolivesendung produziert und ausgestrahlt, die eben diese Erzählungen zum Inhalt hat. Ebenfalls miteinbezogen wird auch das Geschehen auf dem Markt. Das Genre „Unterhaltungssendung“, für das sich die Performerinnen des Theaters im Bahnhof aus Graz bewusst entschieden haben, eröffnet die vielfältigsten Möglichkeiten, ein Thema, das immer noch teilweise tabuisiert wird, mit der nötigen Leichtigkeit zu transportieren. Die Marktbesucherinnen werden im Rahmen der Radiosendung mittels Live-Musik, einem Wunschkonzert, Gewinnspielen, und Interviews mit Expertinnen und Live-Gästen auf eine subtile Weise an das Thema herangeführt. „Wesentliches Element ist das Singen. In unserer Radiosendung wird es keine Musik ‚aus der Retorte‘ geben, alles findet live statt. Mit mehrstimmigen, eigens für die Produktion geschriebenen A-Capella-Liedern, die auf die Volksmusik in der Region verweisen aber eine eigene musikalische Handschrift haben, werden gesellschaftliche Aspekte des kollektiven Erinnerns und Vergessens, der Wiederkehr autoritärer gesellschaftlicher Strukturen und die schweigende Schönheit der Landschaft zur Sprache gebracht: ‚Der See liegt klar im Wald und schweigt, doch vergisst er nie.‘“ Monika Klengel, Regisseurin
Die Gegenstände, die in der Theaterperformance verwendet werden und die im Zuge einer Recherche entdeckt und ausgewählt wurden, ermöglichen das Thema Provenienz ohne erhobenen Zeigefinger in der Salzkammergutregion zu verhandeln. Vertraut wird dabei auf die Kraft der persönlichen Erzählung, auf diese Weise werden die geraubten Gegenstände zu Protagonist*innen selbst. Die unerhörten Dinge stehen durch die Expertise der Forschungen von Monika Löscher und Birgit Johler auf einem ausgezeichneten wissenschaftlichen Fundament. Dazu ist ein ausführliches Begleitheft mit Hintergrundinformationen zu wichtigen Fragen der Restitution und Provenienz in Vorbereitung, das auch detailliert die Geschichten der Objekte beschreiben wird.
Teil des Projektes ist ein für die Performance entwickeltes Memory-Spiel, in dem die „unerhörten Objekte“ in 12 Spielkarten abgebildet werden. Das Erinnerungsspiel kann auch unabhängig von der Theaterperformance gespielt werden. Es wird als Kulturvermittlungstool über das Projekt hinaus zur Nachhaltigkeit von Die unerhörten Dinge beitragen.
„Bad Ischl Salzkammergut 2024 baut mit der Programmlinie ‚Macht und Tradition‘ Erinnerungslandschaften. Die Erinnerung an Menschen, die während des Nationalsozialismus beraubt, vertrieben, ermordet wurden, nimmt darin einen besonderen Platz ein. Über die Beschäftigung mit der Herkunft und dem Verbleib von persönlichen Objekten bekommen wir unmittelbaren Zugang zu den Schicksalen der Besitzer*innen. Mit der Theaterperformance ‚Die unerhörten Dinge‘ geben wir der Provenienzforschung im ländlichen Raum jene Aufmerksamkeit, die sie eigentlich schon seit Jahrzehnten haben sollte – nicht nur hier im Salzkammergut, sondern in ganz Europa.“ Elisabeth Schweeger, Künstlerische Leiterin, Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024
„‚Die unerhörten Dinge‘ holen Alltagsgegenstände aus ehemals jüdischem Besitz im Ausseerland ins Bewusstsein. Wer sich auf ihre Geschichte einlässt, erfährt auch vom Schicksal der einstigen Eigentümer*innen, hört von wechselnden Besitzverhältnissen und folgt den Wegen der Objekte bis in die Gegenwart. Mit der Erforschung der Provenienz im Privatbereich widmet sich das Projekt einem bislang noch wenig behandelten Thema.“ Monika Löscher und Birgit Johler, Provenzienforscherinnen
„Während man am Wochenmarkt einkauft, wird man mit Dingen in Berührung gebracht, die einst in dieser Gegend passiert sind, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen und für die wir alle die gesellschaftliche Verantwortung tragen. Der Rechtsextremismus ist in Österreich wieder salonfähig, Politik und Medien verwenden schleichend eine Sprache und setzen Handlungen, durch die vieles wieder möglich wird, was wir nicht für möglich gehalten haben. ‚Die unerhörten Dinge’ erzählen davon. Wie wir mit ihnen umgehen, wie viel Respekt wir für den Wert von persönlichen Gegenständen und ihren Erzählungen haben, sagt etwas über den Zustand der Gesellschaft aus, in der wir leben.“ Monika Klengel, Regisseurin
Theater im Bahnhof
Monika Klengel (Regie)
Sie ist Teil des Leitungsteams des Theater im Bahnhof, wo seit 30 Jahren auch inszeniert und auf der Bühne steht. Sie ist auf internationalen Festivals präsent, wurde mehrfach ausgezeichnet und ist immer wieder in österreichischen Filmen zu sehen. Daneben arbeitet sie mit anderen Performance- und Theatergruppen zusammen, unterrichtet und coacht junge Leute und betätigt sich kulturpolitisch.
Juliette Eröd (Schauspielerin)
Sie wurde 1972 in Wien geboren und ist in Graz aufgewachsen. Als Schauspielerin ist sie seit 1990 ständiges Ensemblemitglied des Theater im Bahnhof und hat immer wieder Gastverträge am Schauspielhaus Graz. Seit 2022 ist sie Körpertherapeutin nach der Grinberg-Methode. Sie lebt und arbeitet in Graz.
Gabriela Hiti (Schauspielerin)
Sie ist seit über 30 Jahren Ensemblemitglied des Theater im Bahnhof. Sie begreift sich selbst als Theatermacherin, sowohl auf perfomativer als auch auf konzeptioneller Ebene. In ihrer künstlerischen Arbeit konzentriert sie sich auf Feminismus und Ökologie.
Martina Zinner (Schauspielerin)
Sie ist seit 1993 Ensemblemitglied des TiB und Theatermacherin. Sie unterrichtet seit 2015 auf der Grazer Kunstuniversität. Sie arbeitet auch als Sprecherin und Film und Fernsehschauspielerin, ist Sängerin beim Trio “Pfeffer und Konsorten” und spielt Kornett. Zurzeit spielt sie auch ihr Solo “Hilde, so oder so, sie und ich”. Sie lebt und arbeitet in Wien und Graz.
Felix Klengel (Musik)
Er ist Theatermusiker, Chorleiter und Arrangeur aus Graz. Er hat mit dem Theater im Bahnhof an verschiedenen Produktionen zusammengearbeitet, ebenso mit dem Grazer Schauspielhaus und den Rabtaldirndln. Zudem ist Felix Klengel freiberuflich als Sänger tätig und arbeitet als Gesangspädagoge für die Grazer Kapellknaben.
Johanna Hierzegger (Ausstattung)
Nach abgebrochenem Architekturstudium ist sie seit 1996 Ensemblemitglied des Theater im Bahnhof, (Regie-Konzepte, Ausstattung, Video, Performance), ab 2022 Teil des Leitungsteams. Daneben Zusammenarbeiten mit Kunstschaffenden in verschiedensten Konstellationen (Bildende Kunst, Performance, Buchprojekte) Seit 2022 Mitarbeit beim Office Ukraine – Support for Ukrainian Artists.
Helene Thümmel
Sie arbeitet seit 2013 als Bühnen- und Kostümbildnerin im Theater im Bahnhof und übernimmt auch Arbeiten als Grafikerin oder anderen Aufgaben des visuellen Gestaltens. Als Künstlerin beschäftigt sie sich thematisch immer wieder mit Begriffen wie Zeit, Distanzen, (Zwischen-)Räumen und Grenzen und versucht so die Welt zu vermessen, zu dokumentieren und ein bisschen besser zu verstehen.
Provenienzforschung
Monika Löscher (Projektidee), Historikerin, nach mehreren Forschungsprojekten seit 2009 Provenienzforscherin im Auftrag der Kommission im Kunsthistorischen Museum in Wien. Gründungsmitglied des Arbeitskreis Provenienzforschung e. V.
Birgit Johler, Kulturwissenschaftlerin, seit 2019 Kuratorin im Volkskundemuseum, Universalmuseum Joanneum, zuvor u.a. Kuratorin im Team für die österreichische Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz Birkenau. Sie unterrichtet regelmäßig an österreichischen und auch deutschen Universitätsinstituten und ist Stellvertretende Vorsitzende in der Österreichischen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft und seit 2020 Jurymitglied von gedenk_potenziale Innsbruck.
Mitwirkende
Performerinnen Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Monika Klengel, Martina Zinner, Monika Klengel
Wissenschaftliche Begleitung Monika Löscher, Birgit Johler
Ausstattung Johanna Hierzegger
Musikalische Gestaltung Felix Klengel
Technik Moke Rudolf-Klengel
Produktionsleitung Christina Helena Romirer
Regie Monika Klengel
Projektverantwortliche Theater im Bahnhof, Graz
Programmleitung Erinnerungskultur Lisa Neuhuber