500 Jahre Salzkammergut

Am 18. Oktober werden in Hallstatt im Rahmen einer großen Festveranstaltung 500 Jahre Salzkammergut gefeiert: Vor genau 500 Jahren tauchte im sogenannten 1. Reformationslibell der Begriff “Camerguet des Salzes” auf.

Dr. Michael Kurz: Sozialgeschichte des Salzkammerguts und die Tradition des Widerstands

Dem Salzkammergut sagt man nach, etwas „eigen“ zu sein. Sprichwörtlich hat „Österreich neun Bundesländer und das Salzkammergut“. Tatsächlich wirkt der „Salzwirtschaftsstaat“, eine Art „Staat im Staate“, den die Region über Jahrhunderte bildete, noch in vielem nach.

Das Salzkammergut war lange Zeit von der Außenwelt abgeschlossen, das gesamte Gebiet war aus Furcht vor Betriebsspionage von der Saline für Außenstehende gesperrt. Zwar waren die Salzarbeiter, Holzknechte, Schiffleute und Salzhändler eine hoch mobile Gruppe, die durch Wanderungen Neuigkeiten und Innovationen in ihre Heimat brachten, doch hielt der Fortschritt nur selten Eingang. Durch die spezielle Wirtschaftsweise der Salzproduktion wuchs in der Abgeschiedenheit ein „eigener“ Menschentypus heran. Die hohe Geburtenrate machte Zuwanderung unnötig, was sich in alten Traditionen, der altertümlichen Sprache und speziellem Brauchtum manifestiert. Dies auch ein Grund dafür, dass sich auf der Liste des immateriellen Kulturerbes Österreichs besonders viele Bräuche aus dem Salzkammergut finden.

Ihr Selbstbewusstsein schöpften die Salzkammergütler dabei aus der Tatsache, dass der Gewinn aus dem Salzgeschäft einen erheblichen Anteil an den Staatseinnahmen hatte. Zu gewissen Zeiten steuerte das Salzkammergut 1⁄4 bis 1/3 zum Budget bei. Dieses Geld setzten die Habsburger als Landesherren oft für ihre europäische Machtpolitik ein. Deshalb hatten ihre Interventionen auch meistens Erfolg, denn die Geldnot des Landesfürsten war zu groß, als dass er sich die unumgänglichen Spezialisten und Fachkräfte vergraulen konnte.

Die Salzarbeiter hatten einen hohen Organisierungsgrad, die Holzknechts- und Salzarbeiter-„Passen“ waren eingeschworene Teams. Im Wald, im Pfannhaus oder im Berg waren viele Beschäftigte, ein Gerücht, eine Botschaft konnte leicht die Runde machen. Andererseits kehrten die Männer dann wieder zurück auf ihre abgelegenen Höfe, wo eine lückenlose Überwachung dessen, was dort getrieben wurde, unmöglich war. Somit entstanden „Arbeiter-Bauern“. Die Salzbeamten zeigten sich so immer wieder durch spontane Zusammenrottungen überrascht. Auch die bloße Anzahl der Bediensteten war schon Furcht einflößend.

Aufstände und Rebellionen

Schon im Ausgang des 14. Jhdts. spricht man von einem „Salzaufstand“. Die Rebellion gegen den Landesfürsten 1392 kann man durchaus in einem Atemzug mit Aufständen in diesem Jahrhundert 1358 in Paris, 1378 in Florenz und 1381 in England nennen. Über seinen konkreten Anlass und die Auswirkungen schweigen die Quellen, Faktum ist, dass die Abtrünnigen sich wieder unterwerfen mussten, und dafür vieler Privilegien verlustig gingen.

Im 15. Jhdt. (1463) schlossen die Hallstätter und Ausseer Saline im Bruderzwist zwischen Friedrich III. und Albrecht VI. ohne Wissen ihrer Herren einen Separatfrieden an der Grenze am Koppenpass, weil der Streit der Geschwister sich negativ auf den Handel auswirkte. Man wollte sich aus kleinlichen Familienquerelen heraushalten.

Besonderen Widerstand rief die anschließende Zentralisierung der Saline unter Maximilian I hervor: Gegen die Einführung des neuen Rechtes um 1500, das – aus Rücksicht auf den Bedarf der Sudpfannen – die Waldweide und Jagd verbot, setzten sich die Salzkammergütler heftig zur Wehr. Die Verstaatlichung des Waldes war für sie inakzeptabel. Wiederholt musste sich der Kaiser mit der Thematik auseinandersetzen. Die Reste dieses alten Eigentumsbegriffes überlebten in der Wilderei, die eine spezielle Ausformung, ja Verkörperung der Opposition ist. Lediglich der Vogelfang, die „Jagd des kleinen Mannes“ war gestattet und blüht bis heute.

Geheimprotestantismus

Die neue Lehre des Protestantismus, die kurz darauf aufkam, nahm die Region dagegen rasch an. Wie in vielen Bergbaugebieten gewann das Luthertum schnell Anhänger, schon in den 1520er Jahren galt beispielsweise Gmunden als „lutherisches Nest“! Umso beharrlicher verblieben die Evangelischen bei ihrem Glauben, so dass die einsetzende Gegenreformation am Ende des Jahrhunderts hier auf extremen Widerstand stieß.

Die Salzarbeiter drohten unverhohlen mit Streik, sollte ihnen ihre religiöse Einstellung verboten werden. In einer außenpolitisch angespannten Zeit (Türkenkrieg) traf dies Kaiser Rudolf II. im fernen Prag doppelt hart, erstens weil ihm nötige Einnahmen aus dem Salzhandel für die Kriegsführung fehlten und zweitens weil die Kräfte für die Niederschlagung des Aufstandes durch die fortdauernden Kampfhandlungen fehlten.

In zwei Aufständen 1599 und 1601/1602 wehrte sich sowohl das steirische als auch das oberösterreichische Salzkammergut gegen die Rekatholisierung. Schließlich verbündeten sich die Habsburger mit dem Salzburger Erzbischof und beendeten die Rebellion in einer konzertierten Militäraktion, doch die nachfolgenden Jahrhunderte zeigten, dass das Luthertum keineswegs tot war.

Weil das Salzkammergut sich nicht am Bauernkrieg 1626 beteiligte, jedoch eine wirksame Verteidigung nötig war, gewährte der Kaiser einigen Märkten das Privileg eine Art „Miliz“ aufzustellen, eine Schützenvereinigung, die das lebhafte Schützenwesen der Region begründete.

1712 stellte ein Jesuit fest: „ist eine wichtige Frag, ob es nicht besser wäre in diesen Umbständen, wann diese Leuth nicht kunthen lesen. Denn woher kombt dieses Ketzerfeyr als aus den Bücherlesen.“

Für die Auffindung von evangelischen Büchern lobten die Behörden sogar Belohnungen aus, für jedes Werk musste der Ertappte bis zu 8 Gulden Strafe zahlen, was ungefähr drei Monatsgehältern entsprach. Davon erhielt der Tippgeber ein Drittel, das so genannte „Denunziantendrittel“.

In manchen Erbschaften finden sich Legate, die dazu verwendet werden sollten, um den Kindern das Lesen lernen zu können.

Bei vielen Büchern rissen die Evangelischen die erste Seite heraus, damit nicht auf den ersten Blick klar war, um welches Buch es sich handelte.

Der Protestantismus blühte auch im 18. Jdht. noch im Verborgenen weiter. Die Evangelischen feierten ihre Gottesdienste wie die Urchristen in Höhlen, wie die Kalmoskirche und Schwarzenbachlochhöhle in Goisern oder die Seekarkirche in Gosau. Das Feuer des Widerstandes wurde weiter angefacht durch die Vertreibung aus dem angrenzenden Erzstift Salzburg, wo viele Evangelische zu ihren Glaubensgenossen ins Salzkammergut flohen. Die Situation spitzte sich zu. Schon waren gegen 200 Personen heimlich nach Regensburg geflohen und angeblich wanderten einige mit den Salzburgern sogar bis nach Amerika. Der versöhnliche, doch überforderte Salzamtmann Graf Seeau reiste ins Salzkammergut und bot den widerspenstigen Evangelischen freien Abzug nach Deutschland an, wofür er von seiner vorgesetzten Behörde hart getadelt wurde. Die Lage entglitt ihm völlig, schließlich entschloss man sich zu einem Kraftakt und verpflanzte ca. 620 rebellische Lutheraner nach Siebenbürgen, wo sie rund um Hermannstadt in einer schwach besiedelten Gegend Salz fördern sollten (Salzburg bei Hermannstadt). Die Maßnahme fruchtete nicht: mit dem Erlass des Toleranzpatentes 1781 bildete sich in Goisern und Gosau evangelische Gemeinden.

Die „Gegenrevolution“ von 1848

Im Jahre 1848 wurde der Widertstandsgeist auch im Salzkammergut angefacht. Rund um den Goiserer Wirt Konrad Deubler entstand eine Bewegung, die sich gegen die Zensur und den Obrigkeitsstaat auflehnte. 1853 schlug dieser absolutistische Staat zu und verhaftete fast 100 Personen, knapp 15 wurden der Prozess gemacht und oft jahrelang eingesperrt.

Die Vorwürfe lesen sich wie eine Blaupause aus der Gegenreformation:

„Daß die Bewohner des Salzkammergutes insbesondere in der Gegend von Goisern und Hallstatt von jeher zu religiösen Umtrieben, die sich insbesondere unter dem protestantischen Theile der Bevölkerung bemerkbar machten, geneigt waren, und die Aufmerksamkeit der Regierung veranlassten, ist zu wohl bekannt und eben so sicher gestellt, daß bereits von dem Jahre 1830 angefangen, die schlechte Presse des Auslandes ungeachtet der sorgfältigen Überwachung von seite der Behörde, ihren Eingang und besonders unter den kaiserlichen Berg- und Holzarbeitern allgemeine Verbreitung fand. Die Zeitverhältnisse von 1848 äußerten im Salzkammergute eine weit schädlichere Folge als in anderen Gegenden und fachten den zu Neuerungen immer geneigten Protestanten, den Oppositionsgeist in hohem Grade an, der unter dem Vorwand einer von der Staatsverwaltung verfügten Verschlechterung der materiellen Zustände der Arbeiter von einigen bekannten Koriphäen der Umsturzpartheien gehörig genützt und rege gehalten wurde.

Goisern, deren Einwohner fast durchgehends politisch verderbt sind, nicht ein Individuum aufzufinden ist, das zu vertrauten polizeilichen Mittheilungen gebraucht werden könnte.“

Vereinsgründungen

Aus diesen Widerstandsgeist entstand dann nach der Einführung der Versammlungsfreiheit 1867 zahlreiche Vereine, die auf gegenseitige Hilfe ausgerichtet waren.

Bereits 1868 konstituierte sich ein „Arbeiter-Bildungsverein“, es folgte ein „Arbeiter- Konsumverein“, 1873 ein „Spar- und Kreditverein“, 1876 ein Altersversorgungsverein, 1881 ein Krankenverein und zuletzt 1892 ein Feuerschaden-Versicherungsverein. Die Arbeiter des Salzkammerguts wollten sich nicht auf staatliche Institutionen verlassen, sondern nahmen ihr Schicksal selber in die Hand.

Widerstand in den 1930er Jahren und in der NS-Zeit

Schon in Dollfuss-Diktatur lebte der Widerstandswille der meist sozialdemokratischen Arbeiter auf, der schlecht organisierten Februaraufstand 1934 wurde aber rasch niedergerungen. Kommunistische Kräfte im Salzkammergut hielten die Opposition aufrecht. Aus dieser Gruppe und enttäuschten Sozialdemokraten rekrutierte sich dann der regionale Widerstand in der Gruppe „Willy-Fred“ um Sepp Plieseis, Karl Gitzoller. Der österreichischen Freiheitsbewegung war es zu verdanken, dass es zu einer friedlichen Übergabe der Region an die Alliierten kam und ihr Beitrag zur Rettung der Kunstschätze im Altausseer Bergwerk ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Die Tradition des Widerstandes heute

Die oppositionelle Gesinnung und die Haltung, sich nicht alles gefallen zu lassen, lebte auch heute noch weiter. 2005 manifestierte sich eine massive Protestwelle gegen Regierungspläne, den traditionellen Vogelfang verbieten zu lassen. Dabei gingen die Proponenten behutsam und klug vor, schlussendlich gelang es, den Vogelfang zum „Immateriellen Erbe“ zu erheben und damit kann die „Jagd des kleinen Mannes“ auch weiterhin ausgeübt werden.

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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