Am Dienstag (12.11.2024) präsentierten Wissenschaftsminister Martin Polaschek und der wissenschaftliche Generaldirektor der GeoSphere Austria Andreas Schaffhauser auf der Hohen Warte in Wien den neuen Hochleistungsrechner der GeoSphere Austria.
Die GeoSphere Austria hat im Herbst 2024 einen neuen Hochleistungsrechner in Betrieb genommen. Zu den Anwendungsgebieten zählen unter anderem die staatliche Krisenvorsorge, Vorhersagen und Warnungen bei Extremwetterereignissen, Modellierung von Stadtklimaszenarien, Berechnungen zur Luftqualität und Prognosen für erneuerbare Energieformen.
Bis zu 870 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde
Der neue Hochleistungsrechner HPE Cray- XD2000 der GeoSphere Austria leistet bis zu rund 870 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde und ist damit rund 1,7 Mal leistungsstärker als der bisherige Hochleistungsrechner. Dadurch werden zum Beispiel Wetter- und Klimamodelle um 20 bis 40 Prozent schneller berechnet. Außerdem können noch mehr Details berücksichtigt werden, zum Beispiel mehr Messdaten und noch genauere physikalische Simulationen.
Martin Polaschek, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung: „Spitzenforschung braucht Spitzeninfrastruktur. Als Bundesregierung investieren wir gezielt in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Forschungsstandorts. Hochleistungsrechner sind unverzichtbar für die frühzeitige Erkennung von Extremwetterereignissen und spielen eine entscheidende Rolle für den Schutz der Bevölkerung sowie der Prävention von Schäden an Infrastruktur und Umwelt. Gemeinsam mit der GeoSphere Austria konnten wir nun einen neuen Hochleistungsrechner in Betrieb nehmen. Als BMBWF stellen wir hierfür 2,5 Mio. Euro Verfügung.
Der neue Hochleistungsrechner ermöglicht es, Wetterphänomene noch präziser vorherzusagen, insbesondere im geografisch anspruchsvollen Alpenraum, für den mehrmals täglich detaillierte Wettervorhersagen berechnet werden. Damit werden wir Unwetter und drohende Unwetterkatastrophen noch besser vorhersehen können. Außerdem verfügt der Hochleistungsrechner über Spezialmodelle, die für die Ausbreitung von gefährlichen Stoffen, etwa nach Chemieunfällen oder Bränden, eingesetzt werden können. Damit leistet der Rechner einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung und der kritischen Infrastruktur Österreichs.“
Andreas Schaffhauser, wissenschaftlicher Generaldirektor der GeoSphere Austria: „Jede technologische Verbesserung steigert die Möglichkeiten der modernen Meteorologie. Je detaillierter das Gelände und die Physik im Computer simuliert werden, desto besser sind Vorhersagen und Warnungen.
Am neuen Hochleistungsrechner rechnen wir zum Beispiel unsere Wettervorhersagemodelle für Österreich und Umgebung in einer räumlichen Auflösung von bis zu 1,2 Kilometer und auf 90 Höhenschichten der Atmosphäre. Mithilfe des neuen Hochleistungsrechners wird außerdem die Anzahl der in die Modellrechnungen eingehenden Beobachtungen, wie Satelliten-, Radar- und Flugzeugdaten, erneut gesteigert. Zusammen mit einer verbesserten Modellphysik können somit kleinräumige Ereignisse wie beispielsweise schwere Gewitter besser vorhergesagt werden.
Der neue Hochleistungsrechner dient auch der Verbesserung der Abschätzung von Unsicherheiten. Die Wettermodelle verbessern sich zwar stetig, sind aber nicht perfekt. Daher sind Informationen über die mögliche Bandbreite eines bevorstehenden Ereignisses wichtig, zum Beispiel die wahrscheinlichste Regenmenge oder Sturmspitze und die maximal möglichen Werte.“
Detail-Informationen
Anwendung Wettervorhersage und -warnungen
Am Hochleistungsrechner der GeoSphere Austria laufen folgende regionale Vorhersagemodelle im operationellen Betrieb, um Vorhersagen und Warnungen in unterschiedlichen Vorhersagezeiträumen möglichst kleinräumig zu berechnen:
AROME: Horizontale Auflösung 2,5 Kilometer und 90 Schichten in der Vertikalen. Wird alle drei Stunden neu gerechnet und liefert Vorhersagen für den erweiterten Alpenraum für die nächsten 60 Stunden.
AROME-RUC (Rapid Update Cycle): Ermöglicht in einer horizontalen Auflösung von 1,2 Kilometer und 90 Schichten in der Vertikalen Wettervorhersagen für die nächsten zwölf Stunden für Österreich und Umgebung. Wird jede Stunde neu berechnet.
Anbindung an das weltweit stärkste globale Vorhersagemodell
Die GeoSphere vertritt Österreich beim Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF). Das ECMWF betreibt das weltweit stärkste global rechnende Vorhersagemodell. GeoSphere Austria verwendet ECMWF-Daten unter anderem für die Mittelfristprognose von bis zu zehn Tagen, Monatsprognosen und als Basis für die eigenen hochaufgelösten Regionalmodelle, die am neuen Hochleistungsrechner laufen. ECMWF und die nationalen Wetterdienste ergänzen sich somit optimal. So ist eine effiziente Modellkette möglich, die alle Ansprüche abdeckt.
Im Rahmen erforderlicher Wartungsarbeiten am Hochleistungsrechner oder unvorhergesehener Störungen im Betrieb des Rechenzentrums auf der Hohe Warte kann die gesamte Verarbeitungskette für die tägliche Wettermodellierung innerhalb von Minuten zum ECMWF verlagert werden. Damit ist der unterbrechungsfreie Betrieb auch im Rahmen unvorhergesehener Ereignisse sichergestellt. Wegen der hohen Bedeutung der ausfallssicheren Produktion für die Krisenvorsorge bleibt der Hochleistungsrechner der ausschließlichen Verwendung durch die GeoSphere-Austria vorbehalten.
Die Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Wettermodelle der GeoSphere. Die Ressourcen des Hochleistungsrechners ermöglichen auch in Zukunft die Teilnahme an wichtigen internationalen und internationalen Forschungs- und Kooperationsinitiativen.
Anwendung Ausbreitungsrechnung und Luftqualitätsvorhersage
Am Hochleitungsrechner laufen auch Spezialmodelle für Ausbreitungsvorhersagen nach Unfällen mit zum Beispiel chemischen Substanzen oder nach Störfällen in Atomkraftwerken. Außerdem werden Vorhersagen der Luftgüte berechnet, wie für Ozon, Feinstaub und Wüstenstaub.
Diese Modelle sind sehr rechenintensiv, da sie eine Vielzahl von chemischen Prozessen simulieren und die Wechselwirkungen der Schadstoffe mit dem Wetter berücksichtigen, zum Beispiel wie sich bestimmte Partikel in der Luft auf die Sonneneinstrahlung sowie auf Wolken- und Niederschlagsprozesse auswirken und in welchem Ausmaß diese Partikel am Boden abgelagert werden.
Mit dem Luftqualitätsvorhersage-System der GeoSphere Austria wird zwei Mal täglich die Schadstoffverteilung bis zu 72 Stunden im Vorhinein in Europa und Österreich simuliert.
Der neue Hochleistungsrechner unterstützt auch Aufgaben im Rahmen der Weltorganisation für Meteoreologie (WMO): Die GeoSphere Austria ist eines von weltweit zehn „Regional Specialized Meteorological Centre for nuclear Emergency Response Activities (RSMC ERA)“ der WMO. Wird irgendwo auf der Erde erhöhte Radioaktivität gemessen oder ist in einem Kernkraftwerk ein Unfall passiert, starten an der GeoSphere Austria Berechnungen, woher die radioaktive Wolke kommt bzw. wohin sie zieht.
Anwendung Stadtklima (Maßnahmen zur Klimawandelanpassung im urbanen Raum)
Im Bereich Stadtklima wird der Hochleistungsrechner genutzt, um Modelle zur Vorhersage von zum Beispiel urbanen Wärmeinseln am neuesten Stand der Wissenschaft zu betreiben. Der neue Rechner ermöglicht die schnelle und detaillierte Simulation komplexer Phänomene und Wechselwirkungen im urbanen Raum, unterstützt die Entwicklung fundierter Entscheidungsgrundlagen und effektiver Maßnahmen zur Klimawandelanpassung und trägt somit zur Resilienz gegen den Klimawandel bei.
Stadtklimamodelle sind komplexe Computerprogramme, die Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und Windgeschwindigkeit in der städtischen Umgebung berechnen. Dabei werden sehr detailliert die Geländeform sowie die Art der Bebauung und der Landnutzung (Grünfläche, Agrarfläche usw.) berücksichtigt. So lassen sich zum Beispiel die Folgen von Maßnahmen im Städtebau schon vor Projektbeginn abschätzten.
Technische Infos zum neuen Hochleistungsrechner
Der neue Hochleistungsrechner (HPE CRAY-XD2000) wird hochverfügbar rund um die Uhr operationell eingesetzt, um bei den eingesetzten Prognosemodellen höchste Rechenleistung zuverlässig zu garantieren.
Die Rechenleistung liegt um das 1,7-fache über jener des bisherigen Systems. Es stehen nun 19200 Rechenkerne, 100 Rechenknoten und 38 Terabyte Arbeitsspeicher hochverfügbar zur Verfügung. Ein Knoten stellt einen Rechenpunkt dar, somit ist ein gleichzeitiges Rechnen auf bis zu 19200 Rechenkernen möglich.
Die theoretische Spitzenleistung liegt bei 870 Gigaflops, das sind 870 Milliarden Fließkomma-Operationen pro Sekunde. Die Kühlung erfolgt durch eine energieeffiziente Wasserkühlung des gesamten Hochleistungsrechners, was eine Nachnutzung der Abwärme in den Gebäuden auf der Hohen Warte möglich macht.
Der Massenspeicher des neuen Hochleistungsrechners wartet nunmehr mit All-Flash-Technologie auf, die besonders schnell und energieeffizient ist. Hervorzuheben ist zudem, dass beim alten Hochleistungsrechner rund 20 Prozent der Abwärme an die Raumluft des Serverraums abgegeben wurde, was zu erhöhtem Kühlbedarf geführt hat. Das Kühlkonzept des neuen Hochleistungsrechners „100 Prozent-liquid-cooling“ passt perfekt zur GeoSphere Strategie einer Green IT, um möglichst nachhaltig zu wirtschaften.