Kulturhauptstadt 2024 – die einen feiern, die anderen sparen nicht mit Kritik

Ein Kommentar

Die Kulturhauptstadt 2024 ist mit 30.11. 2024 zu Ende gegangen, 2025 sind Chemnitz und Nova Goricia die neuen Kulturhauptstädte. Damit ist es auch Zeit, Bilanz zu ziehen, vor allem für das Ausseerland Salzkammergut.

Oberösterreich und Ausseerland Salzkammergut als Schauplätze

Grundsätzlich war das Ausseerland Salzkammergut von Anfang an ein Nebenschauplatz, die großen Veranstaltungen spielten sich in Bad Ischl, Ebensee und Gmunden ab. Recht spannend in der Region waren vor allem die Ausstellung im  Kammerhofmuseum Bad Aussee, wo man das Leben und Wirken des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt und seiner jüdischen Geschäftspartnerin Lilly Christiansen, die ab 1940 in Bad Aussee lebten, behandelte, die Lesung von Tobias Moretti zum Thema Stefan Zweig im Rahmen der Grundlsee Schifffahrt oder die Graphic Novel Ausstellung – Verborgen im Fels – der Salzwelten Altaussee. Heftig kritisiert wurde die Plätte im Kurpark Bad Aussee. Gemeinsam mit dem Wiener Künstler Georg Holzmann entwickelte Stefan Müllegger den Fiebertraum eines Plätten-Bauers. Eine Skulptur, die in Bewegung ist, die sich von sich selbst und ihrer vermeintlichen Erscheinung loslösen will, aber immer wieder von ihr eingeholt wird und schließlich durch ihre Dekonstruktion im Stillstand verharrt und zum Platzhalter degradiert wird. Schräg waren die Veranstaltungen zu Hermann Markus Pressl: Der Choreograf und Künstler Willi Dorner widmete dem Bad Ausseer Komponisten und Musikforscher Hermann Markus Preßl eine außergewöhnliche Hommage. In Form eines musikalischen Stadtspazierganges wurde ein abwechslungsreicher Einblick in Preßls musikalisches Werk geboten. Am Schluss spielten drei Musikkapellen, nicht miteinander, sondern gegeneinander. „Das vermutlich beste Hotel der Welt“ ist ein imaginäres Hotel; mobil, abbaubar und regional. Es wurde nie gebaut! Es besteht aus Luft, Klang, Vorstellungskraft – und einer Wiese bei Bad Mitterndorf und war letztlich eine nette, aber kaum besuchte Veranstaltung.

Besucherzahlen zu den Ausseer Veranstaltungen gibt es vorläufig nicht, die Massen waren bei keiner Tagesveranstaltung dabei. Am erfolgreichsten: Die Graphic Novel Ausstellung – Verborgen im Fels in den Salzwelten Altaussee mit über 30.000 Besucherinnen und Besuchern, die mehrere Monate bei freiem Eintritt zu sehen war.

Die Höhepunkte fanden in Bad Ischl, Ebensee und Gmunden statt

Es gab an den genannten Orten eine Reihe hochkarätiger Veranstaltungen, etwa die Ausstellung im Bad Ischler Sudhaus ( „sudhaus“ war die zentrale Kunstausstellung der Kulturhauptstadt. Mit internationaler und überregionaler Beteiligung renommierter Kunstschaffender wurde ein höchst breites Themenspektrum präsentiert, das durch Dokumente aus der regionalen Geschichte eingeleitet worden war. Mit unterschiedlichen Facetten und Zugängen wurden die Themen Salz und Wasser in Form von Objekten, Skulpturen, Installationen, Film-, Foto- und Klangarbeiten präsentiert), oder die Installation der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota, sie beschäftigte sich in ihren Installationen mit Themen und Kontexten der menschlichen Existenz. Im Stollen des ehemaligen Konzentrationslagers in Ebensee schuf die Künstlerin eine Installation bestehend aus roten Seilen und 25 überlebensgroßen Kleidern, der Europäische Knappentag, das Bruckner – Konzert in der Salzhalle Ebensee, oder Ai Weiwei – Transcending Borders im Kaiserpark Bad Ischl (….). Gerade die drei letztgenannten Veranstaltungen waren aber keine Veranstaltungen der Kulturhauptstadt 2024, sondern Referenzprojekte, die von der Kulturhauptstadt mitbeworben wurden, “Verursacher” waren aber, wie in diesen genannten Fällen, die Salinen Austria und der OÖ Landes-Kultur GmbH. Also hat die KHST 2024 von anderen Initiativen auch wesentlich profitiert.

Nachhaltigkeit und wenig Akzeptanz durch Einheimische

Bezüglich Nachhaltigkeit sind viele geneigt zu meinen, es gebe keine. Zwar ist man in vielen Bereichen an den hohen Zielsetzungen gescheitert, z.B. bei der Digitalisierung, den Bildungseinrichtungen, den Mobilitätskonzepten, oder dem Anspruch, das Salzkammergut grundlegend zu verändern, andererseits gab es durchaus lohnende Projekte, die dazu einluden, sich dem Neuen, dem Anderen zu öffnen, also auch eine Form der Nachhaltigkeit. Profitieren wird der Tourismus in der Region, Werbung gab es genug. Im Ausseerland Salzkammergut hat das bei den Nächtigungen 2024 kaum durchgeschlagen, in Bad Ischl schon – hier gab es ein sattes Plus (Interessant wäre auch zu wissen, wie viele Nächtigungen der KünstlerInnen und Künstler es gegeben hat).

Die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung war nicht gegeben, 80 Prozent oder mehr lehnten die Veranstaltungen ab, vor allem deswegen, weil man die eigene Volkskultur nicht akzeptiert und eine Hochkultur über die Region gestülpt hatte, und damit auch sehr bewusst provozierte. Dass der Open Call gründlich danebenging, war schon Gegenstand der Berichterstattung, 1.000 Projekte wurden eingereicht, aber nur an die 100 berücksichtigt, ohne dass das entsprechend argumentiert worden war. Ganz komisch war der Umgang der KHST 2024 mit Dirndl und Lederhose, die man eher als Relikt der NS-Zeit darstellte – bei vielen Veranstaltungen wurde wenig Tracht getragen.

Die Förderung der Infrastruktur durfte von der KHST 2024 nicht durchgeführt werden, aber der Umbau von Museen, z.B. des Literatur- und Heimatmuseums Altaussee (war ein Leader – Projekt), des Lehar-Theaters, des Museums der Stadt Bad Ischl oder der Neubau des Veranstaltungssaales in Altaussee stehen sicherlich in Zusammenhang mit der KHST 2024. Die Mittel kamen aber von woanders.

Besucherinnen und Besucher

Die Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 kann nach eigenen Angaben per 19. November 2024 sehr erfreuliche Besucher*innenzahlen vorweisen: rund 600.000 (600.440).
200 Projekte wurden von der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 umgesetzt, viele davon in Kooperation mit Partner*innen und Projektträger*innen.  Nach aktuellem Stand haben diese Projekte rund 408.000 (407.934) Menschen besucht. Der Auszählungsgrad liegt bei 58 %. Wenn diese Zahlen stimmen, wäre das ganze Unternehmen sicherlich ein großer Erfolg, aber das wird wohl erst im Frühjahr 2025 feststehen. 31 Millionen Euro standen zur Verfügung, wobei immer darauf verwiesen wurde, dass Linz z.B. wesentlich mehr Budget zur Verfügung hatte, aber von der genannten Summe sind immerhin 7 Millionen als Personalkosten ausgewiesen. Aber: Es kamen auch viele junge Künstler zum Zug, die wahrscheinlich sonst keine Aufträge bekommen hätten.

Chance genutzt?

Die Gretchenfrage, ob die KHST 2024 die Chancen genutzt hat oder nicht, wird unterschiedlich bewertet werden. Sie wird von den Meisten mit einem “Nein” beantwortet werden, aber vielleicht sieht das in ein paar Jahren anders aus. Bestehende Strukturen hat man zu wenig genutzt, zurück bleiben viele frustrierte Kulturveranstalter, die nicht bedacht wurden.

Titelbild©Edwin Husic

Zum Thema “Bilanz Kulturhauptstadt 2024” wird es ab 4. Dezember auch einen TV – Beitrag mit Bgm. Franz Steinegger geben, der die Gemeinden des Ausseerland Salzkammergut im Aufsichtsrat vertreten hat

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

Comments

  1. Eine nicht so bald wiederkehrende Moeglichkeit wurde um viel Geld u.a.der Steuerzahler aus ganz Europa vertan.
    Mehr Provokation als Aktion im Sinne und gemäß der regionalen Moeglichkeiten.
    Aber wer Fr.Dr.Schweeger kennt, konnte sich nichts anderes erwarten…
    Schade!!
    2 Stammbesucher, die mehrmals Jahr Bad Ischl und das Salzkammergut besuchen.

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