Was passiert mit dem menschlichen Körper bei ausgedehnter Bettruhe oder Schwerelosigkeit? Die Europäische Weltraumagentur (ESA) erforscht in sogenannten „Bed Rest Studies“, ob und welche Veränderungen auftreten, wenn der Körper sich für längere Zeit im Ruhezustand befindet. Diese Bed-Rest-Studien werden an unterschiedlichen Orten in ganz Europa durchgeführt und bieten Forscher*innen der verschiedensten Fachrichtungen Möglichkeiten, diese außergewöhnlichen Umstände an gesunden Proband*innen zu erforschen. Ines Fößl aus dem Forschungsteam von Prof.in Barbara Obermayer-Pietsch von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz untersucht an 24 Probanden, ob und welche Veränderungen an der Knochenstruktur der männlichen Studienteilnehmer auftreten. Dabei hilft ein besonders hochauflösendes CT-Gerät, das an der Med Uni Graz im Einsatz ist.
90 Tage Ruhe
jungen, gesunden Männer dürfen sich im Rahmen einer Bettruhe-Studie der Europäischen Weltraumagentur nicht aus ihren Betten bewegen: Nur 30 Minuten pro Tag dürfen sie sich auf die Unterarme stützen. Den Rest der Zeit müssen sie völlig flach liegen. Einige von ihnen absolvieren liegend diverse Übungen. Mit diesen Studien will die Europäische Weltraumagentur die Bedingungen eines Langzeit-Weltraumfluges und dessen Auswirkungen bestmöglich nachstellen. Die Übungen sollen dabei dem durch das Liegen verursachten körperlichen Verfall entgegenwirken. Diese Bettruhe-Studien können aber auch abseits der Weltraumforschung praktische Daten liefern. Sogenannte Satellitenprojekte können diese einzigartigen Voraussetzungen nutzen, um wichtige Erkenntnisse z. B. für Langzeit-Liegende, etwa an Intensivstationen, zu gewinnen.
Der Knochen im Fokus
Ines Fößl und das Team der Med Uni Graz forschen ebenfalls an den Teilnehmern der Bettruhe-Studie. Sie werfen einen technischen Blick in die Knochen der Probanden und beobachten, ob und welche Veränderungen sich im Inneren der Knochen abspielen. „Neben den typischen Untersuchungen und Messprotokollen wird hier eine besondere Forschungsinfrastruktur eingesetzt. Die hochauflösende periphere quantitative Computertomographie (high-resolution peripheral quantitative computed tomography, HR-pQCT) kann einen einzigartigen Einblick in die Knochenstruktur der Studienteilnehmer geben“, erklärt Ines Fößl die Forschung mit Hightech-Equipment.
„Die Knochenstruktur spielt natürlich eine wichtige Rolle in der physikalischen Funktion. Die Knochen müssen nicht nur die Last des Körpers (auch bei Krafteinwirkung) tragen können, sondern ihr Inneres (z. B. das Knochenmark) dient (je nach Knochenart) unter anderem der Blutbildung, also dem Herstellen von Blutzellen“, erklärt Ines Fößl die wichtigen Aufgaben der Knochen. Die „harte“ Schicht der Knochen (Kortikalis) liegt außen und unterscheidet sich in ihrer Struktur vom innen liegenden Knochenraum. Dieser ist von Knochenbälkchen, sogenannten Trabekeln, durchzogen, die sich entlang der Spannungs- und Belastungslinien des Gewebes orientieren, um mit einer minimalen Masse an Knochenmaterial den Belastungen möglichst gut standhalten zu können. So hat der Knochen als Ganzes weniger Gewicht und bietet Platz für die Blutherstellung.
Äußerst lebendig
Obwohl Knochen meist als etwas sehr Rigides und Starres wahrgenommen werden, sind sie doch ein lebendiges Gewebe, das sich selbst ständig erneuert und umbaut. So führen regelmäßiges Training und Belastung der Knochen dazu, dass sie widerstandsfähiger gegen Brüche werden und im fortgeschrittenen Alter auch bleiben. Wie sich die durchgehende Bettruhe auf diese Umbauprozesse und damit schlussendlich auch auf die Struktur der Knochen bei gesunden Menschen auswirkt, untersuchen die Forscher*innen der Med Uni Graz in dieser Studie.
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Das HQ-pQCT-Gerät
Credit: Med Uni Graz