WorldSkills-Finale in Lyon: Fans peitschen Österreicher zu Bestleistungen

Finale bei den 47. Berufsweltmeisterschaften in Lyon: Am heutigen vierten und damit letzten Wettkampftag geben die 47 österreichischen Berufs-Asse noch einmal alles, um am Sonntag bei der Siegerehrung Gold für Österreich zu erobern. Damit der letzte Kraftakt für unsere WM-Starter zu bewältigen ist, sind über Tausend Österreicher nach Lyon gereist. Familien, Freunde und Coaches stehen den jungen Fachkräften zur Seite. Plus: So werden die Medaillen vergeben.

LYON. Aus dem Lautsprecher schallt Reinhard Fendrichs „I am from Austria“, während rot-weiß-rote Fahnen gehisst werden. Immer wieder brandet tosender Applaus auf, der die emotionale Stimmung in der Menge verstärkt. Noch einmal werden am heutigen Finaltag die 47 WM-Starter aus Österreich nach vorne gepeitscht: Eltern, Großeltern, Geschwister, Arbeitgeber, Lehrlingsausbildner und Freunde sind aus der Heimat angereist, um die heimischen Teilnehmer der WorldSkills noch ein letztes Mal zu unterstützen.

„Adrenalin hält uns aufrecht“

Seit Mittwoch werken die heimischen Berufs-Asse an unterschiedlichen Aufgabenstellungen, haben alles abgerufen, was sie monatelang trainiert und vorbereitet haben. Die Kraftreserven neigen sich dementsprechend dem Ende zu, wie Fliesenleger Florian Gruber aus Aigen im Ennstal in der Steiermark unumwunden zugibt: „Natürlich ist man müde, aber dieses Gefühl dürfen wir heute noch nicht aufkommen lassen. Nach sieben Monaten durchgehendem Training kann ich den Moment gar nicht mehr erwarten, wenn alles zu Ende ist. Die Erleichterung wird einfach riesengroß sein.“

Niederösterreicher präsentieren „echte Show“

Auf der Zielgeraden befindet sich auch das niederösterreichische Betonbauer-Duo Stefan Huber und Christoph Kurz: „Es ist einfach mega, wenn ich hier in die Runde schaue und all die Menschen sehen, die aus Niederösterreich zu uns gekommen sind“, sagt Huber. Kurz ergänzt: „Ihnen werden wir heute nochmal eine echte Show präsentieren.“

Magdalena Rath, steirische Spezialistin für „Digital Construction“ aus Bad Blumau, erklärt: „Es gibt keinen zweiten Versuch, keine Wiederholung: WorldSkills sind nur einmal im Leben. Dementsprechend habe ich die letzten Wettbewerbstage angelegt. Ich habe fokussiert gearbeitet und alles abgerufen, was ich kann. Nun meine Liebsten in die Arme zu nehmen, die wegen mir nach Lyon gereist sind, und diesen unfassbaren Applaus zu sehen, macht mich unendlich stolz.“ 

Schweißer Alexander Pfleger, aus St. Jakob im Walde in der Steiermark, versucht den Applaus in Energie zu verwandeln: „Es ist unglaublich, wie viel Kraft man aus der Unterstützung von Familie, Freunden und den vielen Fans schöpfen kann. Dieser Applaus treibt mich an, bis zum Schluss. Es ist für mich der entscheidende Push!“

Lukas Frühwirth, Anlagenelektriker aus Schwertberg in Oberösterreich und Vize-Europameister, meint: „Ob ich unter Strom stehe? Ich glaub eher, ich bin der Strom. Es fühlt sich an, als würde die ganze Energie des Wettkampfs durch mich fließen. Der Druck ist enorm, aber gleichzeitig gibt er mir den nötigen Kick, um über mich hinauszuwachsen. Wir haben so hart trainiert, und jetzt ist es Zeit, noch ein letztes Mal zu zeigen, was wir draufhaben. Ich freue mich schon auf die Medaillenverleihung.“ 

Optoelektroniker Samuel Engel aus Baden in Niederösterreich sieht das ähnlich: „Auch wenn die Energie nachlässt, versuche ich tatsächlich noch einmal alles zu geben. Das bin ich denjenigen schuldig, die sich extra auf den Weg nach Lyon gemacht haben.“ Auch Speditionslogistik-Profi Charline Labes aus Wien greift nochmals an: „Es war ein harter Wettkampf, aber das Adrenalin hält uns noch aufrecht. Unsere Experten haben uns bestens vorbereitet, und jetzt gilt es, die letzten Reserven zu mobilisieren.“

„Ständig steigen mir Tränen in die Augen“

Der Rückhalt aus der Heimat hilft dabei. Michaela Schweiger, Mama des niederösterreichischen Trockenbauers Fabian Schweiger, drückt ihrem Sohn jedenfalls ganz fest die Daumen: „Es ist schwer in Worte zu fassen, wie sehr mich das berührt – ich hätte nie gedacht, dass es mich so emotional mitreißen würde. Ständig steigen mir die Tränen in die Augen. Am liebsten würde man hinlaufen und ihm zur Seite stehen, doch man weiß, dass er das alleine schaffen wird. Ich bin mir sicher, er wird alles geben und das Beste aus dieser Erfahrung machen. Schon als wir gehört haben, dass er hier antreten wird, war uns klar: Wir müssen das miterleben, wir müssen das mit eigenen Augen sehen.“ Papa René Schweiger sagt: „Es ist kaum in Worte zu fassen, wie stolz wir auf seine Leistungen sind. Er hat Dinge erreicht, die wir uns niemals hätten vorstellen können.. Wir sind so stolz auf ihn!“

„Es zerreißt mich vor Stolz“

Clemens Sallhofer, Lehrlingskoordinator bei Resch & Frisch und Ausbilder von Konditorin Julia Kusel aus Pennewang in Oberösterreich, zeigt sich auch begeistert von den Leistungen seines Schützlings: „Ja, mich zerreißt es fast vor Stolz. Es ist wirklich ein ganz besonderer Moment. Ich begleite Julia schon seit Jahren, angefangen als junge Bäcker- und Konditorlehrling, bis hin zu ihrer heutigen Rolle als Bäckermeisterin und WorldSkills-Teilnehmerin. Es ist einfach beeindruckend zu sehen, was junge Menschen bei den WorldSkills leisten. Als ausbildender Mentor und Freund erfüllt mich das mit unheimlichem Stolz. Die Anforderungen sind enorm. Es muss einfach alles zusammenpassen – das, was sie in der Praxis gelernt haben, die theoretischen Kenntnisse, die richtigen Rezeptmappen und vor allem die mentale Stärke. All das muss auf den Punkt gebracht werden, und sie müssen ihr gesamtes Können und Wissen in dieser kurzen Zeit abrufen. Das ist unglaublich!“

Hoher Besuch aus Österreich

Ins bunte Treiben gesellen sich auch bekannte Gesichter – wie Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, der den österreichischen Assen persönlich die Daumen drückt: „WorldSkills sind nicht nur ein Schaufenster für das Können unserer jungen Fachkräfte, sondern auch ein bedeutender Motor für die heimische Wirtschaft. Sie verdeutlichen eindrucksvoll, wie wichtig gut ausgebildete, hochqualifizierte Fachkräfte für den wirtschaftlichen Erfolg Österreichs sind. Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Botschafterinnen und Botschafter für Exzellenz in der beruflichen Bildung und tragen dazu bei, das hohe Niveau unserer dualen Ausbildung international sichtbar zu machen. Die Erfahrungen, die hier gesammelt werden, fließen direkt in die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft ein, stärken den Innovationsgeist und sichern langfristig den Standort Österreich!“

WKÖ-Vizepräsidentin Carmen Goby, ebenfalls persönlich vor Ort, sagt: „Die Stimmung am Finaltag ist unvergleichlich: Das ist der emotionalste Moment gemeinsam mit der Medaillen-Zeremonie – und Spannung pur. Wenn der Countdown läuft, die Familie, Freunde und Kollegen noch einmal anfeuern und die letzten Handgriffe bejubeln. Und dann die Erleichterung unserer Jungprofis nach vier harten Wettkampftagen und ihre Freude über die eigene Leistung zu erleben: Das sind Gänsehautmomente, an die man sich ein Leben lang erinnert. Wir können sehr, sehr stolz sein, denn Team Austria hat sich in Lyon großartig geschlagen.“

SkillsAustria-Präsident Herk: „Mein Herz geht über“
SkillsAustria-Präsident Josef Herk erklärt: „Hier handelt es sich um die besten Nachwuchskräfte der Welt. Bei dieser Competition treten die Spitzenkräfte aus allen Ländern gegeneinander an, und Österreich ist dabei ganz vorne mit dabei – nicht nur in Bezug auf die fachlichen Fähigkeiten, sondern auch, was Leidenschaft und Emotion betrifft. Das erfüllt uns natürlich mit unendlichem Stolz. Als Organisation von Skills Austria ist es ein Privileg, diese herausragenden jungen Fachkräfte auf ihrem Weg zu begleiten und sie in ihrer weiteren Entwicklung zu unterstützen.“ Herk streicht insbesondere die massive Weiterentwicklung von SkillsAustria hervor: „Als ich vor 17 Jahren das erste Mal dabei war, bestand die Fanreise aus gerade einmal fünf bis zehn Personen. Heute sind es rund 1.000 Menschen, die hier sind. Sie sind nicht nur Fans, sondern wichtige Botschafter und Multiplikatoren für die duale Berufsausbildung. Das ist von enormer Bedeutung und unschätzbarem Wert. Diese Entwicklung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die schulische und berufliche Ausbildung heute auf Augenhöhe stehen und in der Gesellschaft eine besondere Wertschätzung erfahren. Mein Herz geht über, wenn ich unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehe.“

Wie die Medaillen vergeben werden

Ehe morgen (ab 19 Uhr) die Medaillenverleihung im 60.000 Menschen fassenden Groupama-Stadion in Lyon über die Bühne geht, tagen die Wertungsrichter. Oder besser gesagt: die nationalen Trainer. Denn ihre Expertise wird auch für die Jurywertung herangezogen. Das bedeutet: Jeder Teilnehmende – mit minimalen Variationen in den einzelnen Berufen – wird von allen Trainern bewertet, mit Ausnahme des eigenen Coaches. Dabei gilt: Kein Handgriff der letzten drei Tage ist unbemerkt geblieben. Sauberkeit des Arbeitsplatzes, Präzision, Herangehensweise, Planung und vieles mehr werden – je nach Beruf – im strengen Juryurteil berücksichtigt. Dabei fließt nicht nur das finale Ergebnis in die Beurteilungskriterien mit ein, sondern der gesamte Entstehungsprozess.

Dem Bewertungsverfahren liegen strenge und transparente Kriterien zugrunde: Die Experten müssen sich im Zweifelsfall auf eine gemeinsame Punktezahl einigen, Ausreißer durch einen einzelnen Entscheidungsträger in der Bewertung nach oben wie unten sind dadurch ausgeschlossen. Die Teilnehmenden mit den höchsten Punktezahlen erobern Gold, Silber und Bronze. Durch ein komplexes System werden die Punkte schließlich auch bewerbsübergreifend vergleichbar gemacht. Nur als Anhaltspunkt: Die Punktespanne liegt dann schlussendlich meist zwischen 600 bis 800 Punkten. Kandidaten, die über 700 Punkte holen, aber den Sprung aufs Podest versäumen, werden mit einem „Medallion for Excellence“ gewürdigt.

„Im Prinzip wissen die Teilnehmer nur grob, wo es Punkte gibt. Sie müssen jede Aufgabe fachgerecht und bis ins kleinste Detail ausführen, ohne genau zu wissen, was bewertet wird. Wir arbeiten mit einer 100-Punkte-Skala, die dann auf eine 800-Punkte-Skala umgerechnet wird, um die Bewertungen über alle Berufe hinweg zu harmonisieren und den besten Teilnehmer zu ermitteln“, erklärt der gebürtige Oberösterreicher und Wahl-Wiener Stefan Praschl, Mitglied des Vorstands von WorldSkills International. Sein Erfolgsrezept für den Weltmeistertitel: „Es ist wichtig, dass sie an allen vier Tagen konzentriert bleiben. Vor allem am dritten Tag, nachmittags, wenn die mentale und physische Belastung hoch ist, passieren oft Fehler. Am letzten Tag wird es oft hektisch, weil die Zeit knapp wird, und da passieren die meisten Fehler. Gewinnen wird derjenige, der die wenigsten Fehler macht.“

Foto-Credit: SkillsAustria 

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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