Welche Rolle spielen globale Veränderungen in der Landnutzung und der Klimawandel im Zusammenhang mit dem Auftreten von Wildtierkrankheiten? Wie sind die Auswirkungen von Wildtierkrankheiten auf Tier- und Menschengesundheit, Landwirtschaft oder auch Ökosysteme? Wie wichtig ist dabei das Wildtiermonitoring?
Diese Fragen waren Thema des Pressegesprächs zu der Landesrätin Simone Schmiedtbauer und Landesjägermeister und Präsident Jagd Österreich Franz Mayr-Melnhof-Saurau mit Expertin Dr. Anna Kübber-Heiss, Leiterin des Pathologischen Labors für Wildtierforschung an der Vetmeduni Wien, zu Beginn des neuen Jagdjahres mit 1. April, geladen haben.
Massive Veränderungen bei Wildtierkrankheiten in den letzten 30 Jahren
Die Ursachen dafür sind vielfältig:
Die Mobilitätsänderung des Menschen betrifft Wildtiere massiv – Krankheiten werden aus weit entfernten Ländern eingeschleppt, gleichzeitig spielt die starke Beunruhigung der Wildtierlebensräume bei uns in den Alpen eine große Rolle. Hier finden Freizeitaktivitäten nicht mehr nur tagsüber, sondern bereits mit der Stirnlampe in der Nacht statt. Gleichzeitig kann heute jeder mit dem E-Bike in bisher vom Massentourismus nicht so stark betroffene Höhenlagen gelangen und dort das Wild beunruhigen.
One-Health-Prinzip
Infektion ist dabei nicht gleich Erkrankung, es besteht jedoch die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Krankheitsausbruch kommt.
Die globalen Entwicklungen sind unter dem One-Health-Prinzip zu betrachten: Es besteht eine immanente und untrennbare Beziehung zwischen der Gesundheit von Tieren, der Pflanzen und des Menschen aufgrund der gemeinsamen Umwelt.
Unter Zivilisationsproblemen leiden auch unsere Haustiere: Wir bewegen sie zu wenig und geben ihnen das falsche Futter, die Folge davon ist, dass unsere Haustiere mittlerweile unter den gleichen Zivilisationskrankheiten leiden wie wir. Dazu kommen genetische Störungen durch Zuchtfehler.
„Sonderfall Wildtiere“
In unserer intensiv genutzten Landschaft können durch Nutztier-Wildtier-Interaktionen und Wildtier-Haustier-Interaktionen Krankheitserreger übertragen werden.
Durch den Klimawandel treten neue Insekten auf, wie zum Beispiel die Tigermücke.
Aber auch der sich in den Wildlebensräumen immer intensiver auftretende Mensch kann zum Überträger werden: In Tirol kam es vor zwei Jahren zu auffälligen Todesfällen von Gamswild. Die Untersuchung der toten Tiere brachte die Ursache zutage: Die blutigen Entzündungen im Darmtrakt der Wildtiere, die auch Schafe betraf, wurde über die touristische Nutzung des Almgebietes, durch fehlende Infrastruktur wie Toiletten, übertragen. Der bisher nur vom Menschen, vor allem bei Kleinkindern vorkommende Rotavirus wurde auf die Alm verbracht, wo er aufgrund der fehlenden Immunabwehr beim Gamswild zu den verstärkten Todesfällen bei dieser sensiblen Wildart geführt hat.
Möglichkeit der Untersuchung am lebenden Stück fehlt
Bei Wildtieren haben wir das Problem der Diagnostik: Nicht tödliche Erkrankungen können nicht untersucht werden, hier kann das laufende Monitoring nur über den Jäger, die Jägerin durch Beobachtungen am lebenden Stück, das sich abnormal verhält, passieren.
Eindämmung einer Krankheit hat Auswirkungen auf andere Erreger am Beispiel der Tollwut
Wir nehmen kaum war, dass die Tollwut noch immer fast weltweit vorkommt, jährlich sterben daran rund 60.000 Menschen. Die Übertragungsgefahr auf den Menschen besteht z.B. bei Straßenhunden in südlichen Urlaubsländern, die gefüttert und gestreichelt werden. Aufgrund der Gefährlichkeit hat der Mensch versucht, die Wildtiertollwut über Impfköder in den Griff zu bekommen. Österreich ist seit dem Jahr 2000 tollwutfrei, das hat jedoch zu einem hohen Anstieg der Fuchspopulation geführt.
Der Fuchsbandwurm hat sich durch diesen Anstieg ebenfalls stark verbreitet.
Die WHO beschreibt den Fuchsbandwurm als gefährlichste Helminthenkrankheit der nördlichen Hemisphäre.
Die Übertragungswege durch die enge Beziehung mit Haustieren durch freilaufende Hunde und Katzen sind kurz, die Fuchskonzentrationen in den Ballungsräumen sind nicht zu unterschätzen. Gezielte Bejagung kann massive Konzentrationen verhindern. Alle Hundeartigen, also auch der Wolf und der Goldschakal sind von diesem Erreger betroffen. Laut Untersuchungen der Vetmed in Wien ist jeder zweite Fuchs mit dem Erreger infiziert.
Regelmäßige Untersuchungen für alle besonders exponierten Personengruppen – Jäger, Landwirte, aber auch Hundebesitzer – werden hier empfohlen. Der Ausbruch beim Menschen erfolgt oft Jahre später über tumorartige Geschwüre an der Leber.
1980: 1 – 2 Fälle pro Jahr, aktuell rund 20 Fälle im Jahr, die Infektion erfolgt über den Hand-Mund-Kontakt, Hygienemaßnahmen sind hier sehr wichtig: Die Verwendung von Handschuhen, Maske, regelmäßige Entwurmung des Hundes fallen darunter.
Beim Jagdhund selbst ist zum Beispiel das Ausbürsten des Felles nach einem Fuchskontakt zum Entfernen der Eier wichtig.
Geflügelpest
Der Erreger hat so mutiert, dass diese Erkrankung auch Säugetiere betreffen kann – auch in Österreich wurde der Erreger bei einem Fuchs nachgewiesen. Dieser Erreger hat auch zu einem Massensterben von Robben in Amerika geführt, Untersuchungen wiesen hier den gleichen Virus aus – die WHO widmet diesem Virus aufgrund der Eignung für eine neue Pandemie bereits hohe Aufmerksamkeit.
Hat ein Virus wie jenes der Vogelgrippe es einmal geschafft, von Säugetier zu Säugetier übertragen zu werden, fehlt nicht mehr viel, dass die Krankheit auch auf den Menschen übergreift – beim Fuchs ist sie bereits angekommen.
Maul- und Klauenseuche
Wildtiere sind hier theoretisch auch empfänglich. Ein Monitoring im Wildtierbereich ist aktuell im Aufbau. Die Gefahr dieser Krankheit ist, dass sie auch über den Wind über 40 – 50 Kilometer verbreitet werden kann. Das kann theoretisch z.B. auch das Reh als am weitesten verbreitete Wildwiederkäuerart betreffen.
Die Jägerinnen und Jäger sind aufgerufen, Blutungen und Bläschen im Bereich der Schleimhäute von erlegten Wildtieren zu melden. Bereits im Dezember 2024 wurde in Kooperation mit der Landesveterinärdirektion mit der Entnahme von Milzproben bei erlegten Wildwiederkäuern begonnen, diese Probennahme wird auch im neuen Jagdjahr, das mit dem 1. April 2025 beginnt, fortgeführt.
Zitat Landesrätin Simone Schmiedtbauer
„Tiergesundheit ist uns als Steiermärkische Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Wir treffen daher aktuell gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern, wie etwa der Steirischen Landesjägerschaft, umfassende Maßnahmen, um einen Ausbruch der Maul- und Klauenseuche zu verhindern. Tierhalterinnen und Tierhalter, Tierärztinnen und Tierärzte, Jägerinnen und Jäger sowie alle weiteren Betroffenen müssen jetzt an einem Strang ziehen und die Hygienemaßnahmen strikt einhalten. Die Verbringung von lebenden Tieren empfänglicher Arten, frischem Fleisch, Rohmilch empfänglicher Tiere, Schlachtnebenerzeugnissen von gehaltenen und wildlebenden empfänglichen Tieren, Gülle und Mist von empfänglichen Tieren, Jagdtrophäen, Wild in der Decke von empfänglichen Tieren und erlegtem Wild empfänglicher Arten aus Ungarn und der Slowakei ist derzeit streng untersagt. Ich appelliere an alle Urlauberinnen und Urlauber, die Ostern im Ausland verbringen, besondere Vorsicht walten zu lassen.“
Zitat Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau
„Wildtiere sind nicht die Gefahr, sondern die ersten Gefährdeten bei neu auftretenden Krankheiten. Die Jägerinnen und Jäger spielen eine große Rolle bei der flächendeckenden Erfassung von Krankheiten, die sich unter Wildtieren ausbreiten, weil sie mit fachkundigem Blick auch das lebende Wildtier beobachten.
Ein großer Teil der von auf Straßen getöteten Tieren wird von Jägern kostenlos für die Allgemeinheit entsorgt, auch das ist ein wichtiger Teil der Biosicherheit, der die Ausbreitung von Krankheiten hemmt.
Auch im Rahmen der Verbreitung der Maul- und Klauenseuche haben wir bereits im Dezember 2024 Vorkehrungen getroffen und mit der Entnahme von Proben der Milz bei Wildtieren begonnen, um einen möglichen Befall von Wildtieren gezielt zu erfassen.“
Zitat Dr. Anna Kübber-Heiss:
„Awareness ist hier sehr wichtig, aus pathologischer Sicht bin ich sehr dafür, dass jeder Hundebesitzer auch im Wald die Hinterlassenschaften seines Hundes wieder mitnimmt. Auch dieser Beitrag verhindert die Ausbreitung von Krankheiten auf Wildtiere, die sich dagegen nicht wehren können. Es braucht hier Aufklärung für jeden, der sich im Wald bewegt.
Es braucht Biosicherheit bei der Haustierhaltung und Ruhezonen, wo wir unseren Wildtieren die Chance geben, ihr Leben zu führen. Gleichzeitig müssen wir unser Wissen vermehren und global denken. Jeder, der in ferne Länder reist, muss wissen, was er von dort mitbringen oder dort einschleppen kann.
Aktuell glauben wir wie der Zauberlehrling, dass wir einzelne Krankheiten beherrschen können, dabei haben wir andere Erkrankungen wie den Fuchsbandwurm bei den Hundeartigen nach oben getrieben.“